Neue Fallberichte zur Hemipenesamputation

Neue Fallberichte zur Hemipenesamputation

Tiermedizin

Von der Universität Sofia (Bulgarien) stammt eine neue Veröffentlichung mit mehreren Fallberichten, in denen auch Chamäleons vorkommen. Die Autoren beschreiben 16 Fälle verschiedener Echsen, die einen Hemipenisvorfall erlitten und deren Behandlung.

Unter den Echsen waren ein Pantherchamäleon (Furcifer pardalis) und zwei Jemenchamäleons (Chamaeleo calyptratus). Alle drei Patienten wurden den Tierärzten mit beidseitigem Hemipenesvorfall vorgestellt. Zunächst wurden die Vorfälle in 20%iger Dextrose-Lösung gebadet, danach konnten die Hemipenes manuell zurückverlagert werden. Die Vorfälle traten danach jedoch erneut auf, so dass man sich für eine chirurgische Lösung entschied. Unter intramuskulär verabreichter Vollnarkose und Lokalanästhesie wurden die Hemipenes abgesetzt, die Wunde vernäht und der verbliebene kleine Stumpf zurück in die jeweilige Hemipenestasche verlagert. Als Schmerzmittel wurde Meloxicam einmal täglich über 5 Tage nach der Operation verabreicht. Nur Echsen, bei denen das Operationsfeld bei den Nachuntersuchungen abzusterben schien, wurden für 10  Tage unter Antibiose gesetzt.

Hemipenectomy in leopard geckos, chameleons and bearded dragons
Seven Mustafa & Iliana Ruzhanova-Gospodinova
Tradition and Modernity in Veterinary Medicine, 2024
DOI: nicht vorhanden

Foto: Pantherchamäleon, fotografiert von Alex Laube auf Madagaskar

Potenzielle neue Verbreitungsgebiete des Europäischen Chamäleons

Potenzielle neue Verbreitungsgebiete des Europäischen Chamäleons

Verbreitung Wissenschaft

Das europäische Chamäleon (Chamaeleo chameleon) kam historisch in einigen kleinen Gebieten des Mittelmeerraums und in Mittelasien vor. Heute jedoch ist es viel weiter verbreitet. Man geht heute davon aus, dass die Tiere durch Menschen in ihre neuen Verbreitungsgebiete gebracht wurden und sich dort auf Grund der günstigen klimatischen Verhältnisse weiter vermehren konnten. Wissenschaftler haben sich nun damit beschäftigt, wo es weitere geeignete Habitate für das europäische Chamäleon gibt und wie die vorhandenen Populationen sich in den nächsten 50 Jahren entwickeln könnten.

Untersucht wurden die drei Unterarten Chamaeleo chamaeleon chamaeleon, Chamaeleo chamaeleon musae und Chamaeleo chamaeleon reticrista. Erstere ist bisher vom südlichen Rand Portguals und Spaniens sowie aus Süditalien, Algerien, Ägypten, Libyen, Malta, Marokko, Tunesien, der westlichen Sahara und aus dem Jemen bekannt. Zweitere Unterart kommt aktuell im Jordan, Israel und Ägypten vor. Die dritte Unterart kommt zwischen Griechenland und der Türkei vor, auf Zypern, in Israel, im Libanon und Syrien, ist aber eigentlich beheimatet im Norden Afrikas und im Mittleren Osten. Sie wurde wohl von Menschen im Süden Spaniens und Portguals eingeführt, wird dort heute aber als native species angesehen.

Zur Studie wurden die bisher vorhandene Literatur durchforstet, Beprobungen durch den Autor selbst, OpenStreetMaps und Informationen der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) herangezogen und statistisch aufbereitet sowie ausgewertet. Klima, Topographie, Habitat der Fundorte und Verbindungen der bestehenden Poplationen wurden für Vorhersagen zu potenziell geeigneten neuen Lebensräumen genutzt.

Insgesamt flossen 553 Funde von Chamaeleo chamaeleon in die Studie ein. 22% der Funde konnten Stadtgebieten zugeordnet werden, 21% Buschland und 18% fielen auf landwirtschaftlich genutzten Grund. Die meisten Funde wurden auf Höhen von 0 bis 100 m üNN gemacht. Nicht verwunderlich war, dass die aktuell von Chamaeleo chamaeleon besiedelten Gebiete sich als sehr geeignetes Habitat erwiesen. Potenzielle gut geeignete, neue Verbreitungsgebiete in der Zukunft könnten die Iberische Insel zwischen Murcia und der Algarve in Portugal sein, Sizilien, Kalabrien, Apulien und Sardinien in Italien, Marokko, Tunesien, Libyen, die Region zwischen Israel und dem Libanon im Mittleren Osten, Zypern sowie alle Küsten und Inseln des Ägäischen Meeres sein. Insgesamt wird für die nächsten 50 Jahre eine progressive Zunahme an allen schon vorhandenen Habitaten des europäischen Chamäleons vermutet. Davon ausgenommen sind wahrscheinlich lediglich einige Regionen in Tunesien sowie der Türkei. Weitere Habitatsverluste werden an der Ägäischen Küste in der Türkei und Israel angenommen. In Spanien und Portgual könnte das Verbreitungsgebiet sich nach Westen verschieben.

Habitat suitability and connectivity modelling predict a latitudinal-driven expansion in the Mediterranean basin for a historically introduced reptile
Davide Serva, Viviana Cittadino, Ilaria Bernabò, Maurizio Biondi, Mattia Iannella
European Journal of Wildlife Resarch 70 (27), 2024
DOI: 10.1007/s10344-024-01780-9

Die beiden Grafiken stammen beide aus der genannten Veröffentlichung.

Neue Hoffnung für das Tarzan-Chamäleon

Neue Hoffnung für das Tarzan-Chamäleon

Verbreitung Wissenschaft

Calumma tarzan, das Tarzan-Chamäleon, wurde erst 2010 beschrieben. Es wurde damals benannt nach seinem Fundort Tarzanville, einem kleinen Dorf in der Region Anosibe An’Ala im zentralen Osten Madagaskars. Auf Grund des bis dahin angenommenen sehr kleinem Verbreitungsgebiet wurde die Art auf der roten Liste der IUCN direkt als „vom Aussterben bedroht“ (critically endangered) eingestuft.

In den Jahren 2020 und 2021 haben madagassische Wissenschaftler an vielen weiteren Orten im Osten Madagaskars nach der Art gesucht – und sind prompt fündig geworden, wie eine aktuelle Publikation berichtet. Dazu suchten sie 46 Transekte von je einem Kilometer Länge in 23 verschiedenen Waldfragmenten ab. Weitere 28 Transekte von je 200 Meter Länge wurden untersucht, um die Populationsdichte einschätzen zu können.

Calumma tarzan konnte in 14 von 23 untersuchten Waldfragmenten gefunden werden. Keines dieser Vorkommen davon war zuvor bekannt. Die Art kam auf Höhen von 604 bis 1048 m vor. Die Populationsdichtenschätzung fiel sehr unterschiedlich aus. In einigen Gebieten leben nur 25 Chamäleons pro Hektar, in anderen mehr als dreimal so viele, nämlich 78.

Aktuell sind nur wenige der Waldfragmente geschützt. Die vorliegende Arbeit unterstreicht daher, wie dringend es ist, weitere Schutzgebiete in den östlichen Regenwäldern Madagaskars zu errichten. Nur so kann das Tarzan-Chamäleon noch gerettet werden.

New distribution records and population density of the critically endangered Tarzan chameleon (Calumma tarzan), eastern Madagascar
Alain J.V. Rakotondrina, Raphali R. Andriantsimanarilafy, Hanta J. Razafimanahaka, Achille P. Raselimanana, Rikki Gumbs, Caleb Ofori-Boateng, Jody M. Taft, Fanomezana M. Ratsoavina
African Journal of Herpetology, 2024
DOI: 10.1080/21564574.2023.2291358

Hautverfärbungen nach Mückenstichen

Hautverfärbungen nach Mückenstichen

Tiermedizin Wissenschaft

Manchmal beginnt Wissenschaft ganz klein: Auf der Onlineplattform iNaturalist postete jemand letztes Jahr ein Foto eines Calumma globifer, auf dem eine Stechmücke saß. Genau dort konnte man eine schwarze Verfärbung der Schuppen erkennen. Ob da wohl ein Zusammenhang bestand?

Eine Hand voll neugieriger Menschen suchte mehr Fotos von Stechmücken auf Chamäleons und wurde fündig: Auf Facebook gab es welche von Jemenchamäleons, auf iNaturalist weitere von Furcifer minor und Furcifer nicosiai. Allerdings fanden sich auch sechs Beobachtungen mit Stechmücken auf Chamäleons, bei denen keine schwarzen Punkte vorhanden zu sein schienen.

Um den Zusammenhang zu testen, setzen Wissenschaftler auf Madagaskar zwei Furcifer oustaleti und vier Teppichchamäleons jeweils alleine in ein Gehege mit 25 weiblichen asiatischen Tigermücken (Aedes albopictus), die man vorher 24 h nicht gefüttert hatte. Parallel wurden alle sechs Chamäleons mit einer Nadel in die Haut gestochen, um zu testen, ob auch dieses „Trauma“ einen Farbwechsel der Haut auslösen würde. Die Ergebnisse waren überraschend: Bei den vier Furcifer lateralis entstanden zahlreiche schwarze Hautverfärbungen nach Mückenstichen, bei den beiden Furcifer outaleti keine einzige. Die Punktionen mit der Nadel blieben bei allen sechs ohne Folgen.

Die Autoren des gerade veröffentlichten Artikels schlagen drei mögliche Theorien vor, wie die Farbveränderung in der Chamäleonhaut zustanden kommen könnte: Der Mückenspeichel könnte eine Art Lokalanästhetikum, Stickstoffmonoxid oder andere Proteine enthalten, die für das ausschließliche Sichtbarwerden der Melanophoren der Haut sorgen. Weitere Forschung in diesem Feld wäre sicherlich spannend!

Mosqito bite-induced color change in chameleon skin
Pablo Garcia, Raul E. Diaz Junior, Christopher V. Anderson, Tovo M. Andrianjafy, Len de Beer, Devin A. Edmonds, Ryan M. Carney
Herpetological Review 54(3), 2023, pp.353-358

Exkursion nach der Tagung

Exkursion nach der Tagung

AG Interna

Nachdem wir mit einem neuen Tagungsort dieses Jahr auch neues Terrain erkunden, gibt es für den Sonntag, 26. Mai 2024, noch eine besondere Neuheit: Wer möchte, kann mit der AG Chamäleons nach dem Vortragsteil der Tagung den Fuldaer „Tümpelgarten“ erkunden. Dabei handelt es sich um das 13.000 m² große Gelände des Vereins „Scalare“. In einer eigens errichteten Aquarien- und Terrarienausstellung pflegen die Vereinsmitglieder hier eine Vielzahl an Reptilien, Fischen und Wirbellosen. Draußen werden die Anlagen ergänzt durch Volieren mit Vögeln, Eichhörnchen und Gehegen für Land- und Wasserschildkröten. Treffpunkt ist um 13 Uhr vor den Toren des Vereinsgeländes, das nur anderthalb Kilometer vom Tagungsort entfernt liegt.

Fotos: Aquarien- und Terrarienverein „Scalare“ 1925/55 e.V. Fulda

Was Farbmuster bei Chamäleons beeinflusst

Was Farbmuster bei Chamäleons beeinflusst

Wissenschaft

Chamäleons sind bekannt wegen ihrer Fähigkeit zum Farbwechsel. Was genau verschiedene Farbmuster in verschiedenen Populationen beeinflusst, haben jetzt internationale Wissenschaftler untersucht. Sie wollen wissen, inwiefern der Lebensraum selbst, die Entfernung zu anderen Populationen oder soziale Interaktionen den Farbwechsel beeinflussten.

Als Probanden wurden zum einen Europäische Chamäleons (Chamaeleo chamaeleon) in La Herradura und Sanlúcar in Spanien gefangen. Die beiden Regionen liegen rund 230 km voneinander entfernt. Weitere Chamaeleo chameleon wurden in der nördwestlichen Negev und an der Carmel Küste in Israel entnommen (rund 180 km voneinander getrennt). Zum anderen wurden Lappenchamäleons (Chamaeleo dilepis) in Simbithi, Zulu Falls und Maduma Boma in Südafrika gefangen. Die drei Orte liegen zwischen 100 und 550 km voneinander entfernt.

Jedes Chamäleon wurde zwei Experimenten unterzogen. Im ersten ließen die Wissenschaftler das Chamäleon zwei Meter auf einem horizontalen Stock, der in der Sonne rund einen Meter über dem Boden aufgestellt wurde, laufen. Im zweiten Experiment wurde auf den gleichen Stock 50 cm entfernt vom ersten Chamäleon ein zweites der gleichen Art gesetzt. Die Farbmuster, die das Tier während der Experimente zeigte, sowie das Verhalten wurden 20 Minuten lang aufgezeichnet. Anschließend wurden die Daten mittels Computerprogrammen ausgewertet. Blut wurde allen Chamäleons aus einer abgeschnittenen Kralle entnommen und genetisch untersucht. Die Lebensräume und Bodengegebenheiten wurden auf verschiedene Weisen zusätzlich untersucht und statistisch ausgewertet. Die eingefangenen Tiere wurden maximal 12 h in belüfteten Plastikkäfigen gehalten und nach den Untersuchungen wieder freigelassen. Wie viele Chamäleons insgesamt gefangen und freigelassen wurden, wird leider in der Studie nicht erwähnt.

Wie erwartet stellte sich heraus, dass die einzelnen Populationen sich sowohl beim Europäischen als auch beim Lappenchamäleon genetisch voneinander unterschieden. Dabei wiesen die Populationen von Chamaeleo dilepis signifikant unterschiedliche Haplotypen auf.

Beim Lappenchamäleon waren die Weibchen an zwei Orten deutlich größer als die Männchen, lediglich in Simbithi nicht. Außerdem stellten die Wissenschaftler fest, dass sich die Farbmuster der drei untersuchten Populationen klar voneinander unterscheiden ließen. Sie schlossen aus den Ergebnissen, dass die Farbmuster bei Chamaeleo dilepis vor allem von genetischer Isolation abhängig sind. Das Habitat selbst und die Größe der Chamäleons hatten keinen Einfluss auf die Farbmuster.

Beim Europäischen Chamäleon sah das jedoch anders aus: Die Körpergröße und die genetische Distanz zu anderen Populationen sagten die Farbmuster bei Männchen sehr gut voraus. Dafür waren die Farbmuster unabhängig vom Ort, an dem die Tiere gefunden worden waren. Boden- oder Vegetationsfarben hatten nur bei Weibchen einen geringen Einfluss auf die Farbe.

Genetic and behavioural factors affecting interpopulation colour pattern variation in two congeneric chameleon species
Tammy Keren-Rotem, Devon C. Main, Adi Barocas, David Donaire-Barroso, Michal Haddas-Sasson, Carles Vila, Tal Shaharabany, Lior Wolf, Krystal A. Tolley, Eli Geffen
Royal Society Open Science 11: 231554
DOI:  0.1098/rsos.231554

Vortrag in Zürich über Spanien und Marokko

Vortrag in Zürich über Spanien und Marokko

Vorträge

Dr. Herbert Billinger zeigt am Montag, 29. Januar 2024 in Zürich einen schönen Vortrag über Marokko und Südspanien.

Wenn die Tage im Spätherbst in der Schweiz immer kürzer werden, die Sonne sich hinter einer dicken Nebelschicht versteckt und die Reptilien und Amphibien in den Winterquartieren schlafen, zieht es seine Frau Yvonne und ihn jeweils in südlichere Gefilde. Der Vortrag ist eine Zusammenfassung von mehreren Winterreisen nach Südspanien und Marokko. Und herpetologisch gibt es dort einiges zu sehen!

Dr. Herbert Billing Herpetologische Winterexkursionen in Marokko und Südspanien
DGHT Stadtgruppe Zürich (Schweiz)
Kantine im Betriebsgebäude des Zoo Zürich (1. UG)
Zürichbergstraße 221
8044 Zürich
Vortragsbeginn 20.00 Uhr

Online Vortrag über Parasiten bei Reptilien

Online Vortrag über Parasiten bei Reptilien

Tiermedizin Webinare

Mit dem digitalen Stammtisch hat die DGHT dieses Jahr ein Novum geschaffen. Jeden letzten Donnerstag im Monat treffen sich Reptilienhalter aus ganz Deutschland, um sich über ein vorgegebenes Thema und einen dazugehörigen Vortrag auszutauschen. Dabei muss niemand weite Wege in Kauf nehmen, denn die Vortragenden und die Teilnehmer kommen bequem per Onlineschaltung ins eigene Wohnzimmer.

Den Start macht am 25. Januar 2024 Paula Sapion Miranda. Die Tierärztin forscht an der Justus-Liebig-Universität in Gießen an Parasiten von Reptilien und Amphibien und arbeitet außerdem bei Exomed, dem bekannten Veterinärlabor für Exoten. Sie erzählt von häufigen und selteneren unerwünschten Untermietern. Die Anmeldung folgt per E-Mail bis zum Vortag an bonsels@dght.de, am Tag des Stammtisches wird der Teilnahmelink verschickt.

Paula Sapion Miranda Parasiten bei Reptilien und Amphibien
1. Online-Stammtisch der DGHT
Beginn 20.00 Uhr

Vorläufiges Tagungsprogramm online

Vorläufiges Tagungsprogramm online

AG Interna

Unser vorläufiges Tagungsprogramm ist online! Als absolutes Novum werden wir uns dieses Jahr vom 24. bi2 26. Mai nicht in Boppard am Rhein, sondern in Fulda in Hessen treffen. Fulda bietet nicht nur eine wunderschöne Altstadt und eine hervorragende ICE-Anbindung, sondern auch mit dem Stadtgasthof Drei Linden einen tollen Tagungsort. Der Stadtgasthof verfügt nicht nur über neu renovierte Zimmer, sondern auch über eine eigene Metzgerei (keine Angst, es gibt auch vegetarische und vegane Gerichte), einen Spielplatz für Kinder sowie für die Erwachsenen einen eigenen Biergarten.

Die ersten Angereisten treffen sich bereits am Freitagabend auf ein Feierabendbier in der Altstadt von Fulda, die nur zehn Minuten fußläufig vom Tagungsort entfernt ist. Am Samstag geht es dann los mit dem Tagungsprogramm, dass auch dieses Jahr eine bunte Mischung aus Reisevorträgen, Terraristik, tiermedizinischen Aspekten und Forschungsprojekten bieten wird. Eine erste Vorschau gibt es hier.

Was beeinflusst die Wiederentdeckung verschollener Arten?

Was beeinflusst die Wiederentdeckung verschollener Arten?

Wissenschaft

Immer wieder gibt es in der Geschichte Arten, die einmal beschrieben und dann nie wieder gesehen wurden. Auch unter den Chamäleons gibt es solche Fälle. Erst vor wenigen Jahren wurde das fast 100 Jahre lang verschollen geglaubte Chamäleon Furcifer voeltzkowi im Westen Madagaskars wiederentdeckt. Eine aktuelle Veröffentlichung einer Vielzahl internationaler Autoren beschäftigt sich nun mit der Frage, welche Faktoren die Wiederentdeckung beeinflussen.

2023 gab die IUCN eine Liste mit über 2000 Wirbeltier-Arten heraus, die länger als zehn Jahre nicht mehr gesehen worden waren. Auch Re:wild gab eine Liste von 1008 verschollenen Arten heraus. Auf Basis dieser Listen und weiterer Literatur suchten die Wissenschaftler Arten, die über zehn Jahre nicht mehr in der Wildnis gesehen worden waren. Außerdem durfte es keine ex situ Population geben (Pflege in Menschenhand außerhalb des ursprünglichen Vorkommens). Heraus kam eine Liste mit 1280 Wirbeltier-Arten, die dann noch einmal mit Spezialisten der jeweiligen Fachgebiete bereinigt wurden. So wurden beispielsweise Arten ausgeschlossen, die inzwischen als sicher ausgestorben gelten. Es blieben 856 verschollene Arten, davon waren 42% Reptilien. Die gesammelten Daten wurden an Hand verschiedener Faktoren statistisch ausgewertet.

Bei den Wiederentdeckungen waren weniger Reptilien vertreten als Säugetiere. Weniger Reptilienarten wurden wiederentdeckt als es durch Zufall statistisch wahrscheinlich gewesen wäre. Reptilien sterben außerdem signifikant schneller aus als Arten wiederentdeckt werden. Insgesamt ist die Wiederentdeckungsrate für Reptilien aber am Steigen. Die meisten Wiederentdeckungen fanden in den Tropen statt. Brasilien und Ecuador führen dabei die Länder mit den meisten Entdeckungen bei Weitem an, dicht gefolgt von Australien, Indien und Madagaskar. Erstaunlicherweise resultierte eine höhere Bedrohung an Lebensraumverlust zu einer höheren Wiederentdeckungsrate bei Reptilien.

Insgesamt kommen bei verschollenen Arten mehrere Gründe in Frage, weshalb eine Wiederentdeckung bisher nicht gelingen konnte. Zum einen ist bei etlichen Arten ein Mangel an Daten vorhanden – als Beispiel wird hier Brookesia lambertoni genannt, das seit 1921 auf Madagaskar nicht mehr gesehen wurde. In der Originalbeschreibung wird dessen Fundgebiet als „Fito“ angegeben wird. Fito ist Madagassisch für die Zahl Sieben. Leider ist bis heute jedoch nicht bekannt, was mit diesem Namen gemeint ist. Es gibt viele Dörfer mit dem Namen, genauso könnte aber eine Region, ein Fluss oder ein Wald gemeint gewesen sein. Genauso ist möglich, dass die Ursprungsbeschreibung der Herkunft auf ein sprachliches Missverständis zurückgeht und „Fito“ als Ort gar nicht existiert.

Des Weiteren bedeutet ein Mangel an Forschungskapazität, vor allem in Entwicklungsländern, auch eine geringere Suchintensität nach verlorenen Arten. Dazu kommt, dass gerade bei den Reptilien viele Arten eher unscheinbar und klein sind. Sie können dadurch schlechter beworben werben und wecken bei potenziellen Sponsoren kaum oder gar keine Aufmerksamkeit. Zusätzlich kann auch der Lebensraum mit an einer Nicht-Wiederentdeckung beteiligt sein. Dies ist beispielsweise bei sehr weit abgelegenen Lebensräumen oder schwierig zu begehenden Landschaften wie Sümpfen der Fall.

What factors influence the rediscovery of lost tetrapod species?
Tim Lindken, Christopher V. Anderson, Daniel Ariano-Sánchez, Goni Barki, Christina Biggs, Philip Bowles, Ramamoorthi Chaitanya, Drew T. Cronin, Sonja C. Jähnig, Jonathan M. Jeschke, Rosalind J. Kennerley, Thomas E. Lacher Jr., Jennifer A. Luedtke, Chunlong Liu, Barney Long, David Mallon, Gabriel M. Martin, Shai Meiri, Stesha A.. Pasachnik, Victor Hugo Reynoso, Craig B. Stanford, P. J. Stephenson, Krystal A. Tolley, Omar Torres-Carvajal, David L. Waldien, John C.Z. Woinarksi, Thomas Evans
Global Change Biology 30, 2024, pp. 1-18.
DOI:  10.1111/gcb.17107

Foto: Furcifer voeltzkowi in Mahajanga, fotografiert von Alex Laube