Fünf neue Rhampholeon-Arten

Fünf neue Rhampholeon-Arten

Neubeschreibungen Wissenschaft

Bei den kleinen, braunen Erdchamäleons auf dem Festland Afrikas gibt es noch einiges zu entdecken. Nachdem vor zwei Jahren im Rhampholeon uluguruensis/moyeri-Komplex in Tansania neue Arten entdeckt werden konnten, haben internationale Wissenschaftler nun den Rhampholeon boulengeri Komplex genauer unter die Lupe genommen. Und wie erwartet tauchten auch dabei neue Arten auf!

Die Erdchamäleons aus diesem Komplex bewohnen verschiedenen Lebensräume entlang des Großen Afrikanischen Grabenbruchs (englisch Albertine Rift). Diese 6000 km lange Kette aus Gebirgen und Gräben reicht vom Albert-See in Uganda bis zum See Tanganyika. Dabei kreuzt sie die Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Burundi und Tansania. In der Gattung Rhampholeon unterscheiden sich die Arten äußerlich kaum, leben jedoch oft in sehr unterschiedlichen Lebensräumen oder sind genetisch gut voneinander abzugrenzen. Die Autoren untersuchten über 130 Erdchamäleons von mehr als 20 verschiedenen Orten sowie die Lectotypen (den Holotypus gibt es nicht mehr) der Art Rhampholeon boulengeri. Dabei konnten sie mittels genetischer Untersuchungen gleich fünf neue Rhampholeon-Arten ausmachen.

Die bereits bekannte Art Rhampholeon boulengeri, beschrieben 1908 von Grauer, kommt nach den aktuellen Daten ausschließlich in seiner Typuslokalität vor. Diese ist das Itombwe Plateau in der Demokratischen Republik Kongo, auf Höhen zwischen 2100 und 2470 m.

Rhampholeon plumptrei erhielt seinen Namen zu Ehren des englischen Zoologen Andrew Plumptre. Er setzt sich seit fast 20 Jahren als Vorsitzender der Wildlife Conservation Society für den Artenschutz entlang des Afrikanischen Grabenbruchs ein. Die Art lebt in montanem und submontanem Regenwald auf Höhen von 1203-2269 m, wobei sie am häufigsten auf 1200 bis 1700 m zu finden sind. Die Verbreitung reicht dabei vom Osten der Demokratischen Republik Kongo mit dem Kahuzi-Biega Nationalpark bis in den Westen Kenias zum Kakamega Forest Nationalreservat. Dazwischen kommt Rhampoleon plumptrei im Bwindi Impenetrable Nationalpark, im Mabira sowie im Kalinzu Central Forest Reserve im Westen Ugandas vor. Es trägt einen deutlich sichtbaren Nasenfortsatz und einen nur etwas kürzeren Schwanz als Rhampholeon boulengeri.  Rhampholeon plumptrei wird bis zu 60 mm groß. Die Männchen tragen eine weiße Färbung an Kehle und Bauch und einen oder zwei diagonal verlaufende dunklen Streifen auf dem Körper. Die meisten Chamäleons dieser Art tragen einen dunkel gefärbten Tuberkel im Nacken.

Rhampholeon nalubaale wurde nach dem Luganda Wort für „Göttin“ benannt, das auch der einheimische Name des Viktoriasees ist, dem größten See Afrikas. Von dieser Art kennt man bisher nur die Weibchen, Männchen wurden noch nicht gefunden. Rhampholeon nalubaale kommt in submontanem Regenwald auf Höhen von 513 bis 1506 m vor. Am häufigsten ist es im Kibale Nationalpark in Uganda, man kann es aber auch im Budungo Central Forest Reserve im gleichen Land und im Kahuzi-Biega Nationalpark sowie dem Itombwe Natural Reserve in der Demokratischen Republik Kongo finden. Rhampholeon nalubaale wird bis zu 56 mm lang. Eins der aufgefundenen Tiere wurde mit UV-Licht angestrahlt und einige der Tuberkel im Gesicht fluoreszierten daraufhin blau, wie das schon von anderen Chamäleons bekannt ist – für die Gattung Rhampholeon ist es jedoch neu. Die Art kommt zusammen mit Trioceros johnstoni und Kinyongia tolleyae vor.

Rhampholeon bombayi wurde nach dem waYao Forscher Sidi Mubarak Bombay benannt. Er wurde 1820 auf der Grenze von Tansania zu Mosambik geboren und früh als Sklave nach Indien verkauft. Später kehrte er nach Afrika zurück und machte sich auf Expeditionen britischer Forscher in Ostafrika einen Namen. Rhampholeon bombayi wird bis zu 55 mm lang. Rhampholeon bombayi lebt in Montanwäldern auf Höhen von 1450 bis 2330 m in Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Es wurde bisher im Kahuzi-Biega Nationalpark, im Kabobo Natural Reserve, im Itombwe Natural Reserve und dem Nyungwe Forest Nationalpark nachgewiesen. Im gleichen Wald leben ebenfalls Trioceros johnstoni und Trioceros schoutedeni. Die Tiere tragen zwei oder drei dunkle Linien diagonal auf dem Körper, Schwanz und Extremitäten sind häufig dunkler braun als der Körperstamm.

Rhampholeon msitugrabensis wurde nach dem großen Afrikanischen Grabenbruch benannt. Das Swahili Wort für Wald, msitu, und das deutsche Wort Graben wurden dabei kombiniert. Dieses Erdchamäleon wird bis zu 49 mm groß. Es bewohnt Waldränder bei Mpishi nahe dem Kibira Nationalpark in Burundi. Rhampholeon msitugrabensis ist außerdem vom Mount Bigugu im Nyungwe Forest Nationalpark in Ruanda beschrieben, so dass sein Vorkommen sich von 1986 bis 2699 m zieht. Im Nyungwe Forest kommt Rhampholeon msitugrabensis allopatrisch mit Rhampholeon bombayi vor, genauer im Kamiranzovu Sumpfgebiet auf 2000 bis 2330 m Höhe. Andere Chamäleons, die mit Rhampholeon msitugrabensis einen Lebensraum teilen, sind Trioceros ellioti, Chamaeleo dilepis und Kinyongia rugegensis.

Rhampholeon monteslunae wurde nach seinem Lebensraum benannt, dem Ruwenzori-Gebirge auf der Grenze der Demokratischen Republik Kongo und Uganda. Bereits 150 nach Christus wurde diese Gebirgskette, in der der Nil entspringt, von Ptolemäus als „Lunae Montes“, zu deutsch Mondberge beschrieben. Rhampholeon monteslunae kommt auf Höhen von 1655 bis 2360 m vor und ist am häufigsten im Ruwenzori Mountains Nationalpark nahe dem Nyakalengija-Eingang. Eine weitere Population findet sich im Bururi Forest Nature Reserve in Burundi. Dieses Erdchamäleon wird bis zu 47 mm lang. In den gleichen Wäldern kommen unter anderem Kinyongia carpenteri, Kinyongia xenorhina, Kinyongia tolleyae, Trioceros ellioti, Trioceros johnstoni und Trioceros rudis vor.


Taxonomy of the Rhampholeon boulengeri Complex (Sauria: Chamaeleonidae): Five new species from central Africa’s Albertine Rift
Daniel F. Hughes, Mathias Behangana, Wilber Lukwago, Michele Menegon, J. Maximilian Dehling, Philipp Wagner, Colin R. Tilbury, Trisan South, Chifundera Kusamba, Eli Greenbaum
Zootaxa Vol. 5458 4, 2024, pp. 451-494
DOI: 10.11646/zootaxa.5458.4.1

Foto: Von links oben nach rechts unten Rhampholeon boulengeri, Rhampholeon plumptrei, Rhampholeon nalubaale, Rhampholeon bombayi, Rhampholeon msitugrabensis und Rhampholeon monteslunae aus der oben genannten Publikation

Sechs neue Rhampholeon-Arten in Tansania

Sechs neue Rhampholeon-Arten in Tansania

Neubeschreibungen Wissenschaft

In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der bekannten Rhampholeon-Arten verdoppelt – nicht zuletzt, weil sich in einigen Artkomplexe zahlreiche unbeschriebene Arten „versteckten“. Genau einen solchen Fall beleuchteten nun Wissenschaftler aus Großbritannien, Tansania und Südafrika: Den Rhampholeon uluguruensis/moyeri-Komplex. Die Erdchamäleons aus diesem Komplex bewohnen verschiedenen Lebensräume in den Eastern Arc Mountains, einer 600 km langen Gebirgskette, die von Kenia bis nach Tansania reicht. Bei der Gattung Rhampholeon ist bisher vor allem auffällig, dass die beschriebenen Arten sich äußerlich nur wenig unterscheiden, jedoch in eng begrenzten, voneinander meist völlig isolierten Lebensräumen vorkommen. Die Autoren untersuchten Erdchamäleons von sieben verschiedenen Orten in Tansania. Dabei konnten sie mittels genetischer Untersuchungen gleich sechs neue Rhampholeon-Arten ausmachen.

Rhampholeon colemani wurde benannt nach dem Artenschützer Carter Coleman. Die Art kommt im Kitolomero-Tal auf rund 1200 m üNN vor. Das Tal liegt im Uzungwa Scarp Nature Reserve in den Udzungwa Bergen mitten in Tansania, rund 350 km südöstlich der Hauptstadt Dodoma. Besonders an diesem Verbreitungsgebiet ist, dass in diesem Reservat ebenfalls das schon bekannte Rhampholeon moyeri vorkommt. Unklar ist noch, ob die beiden Arten möglicherweise auf unterschiedlichen Höhenstufen leben. Rhampholeon colemani wird bis zu 44 mm (TL) groß und ist damit das zweitkleinste der bisher beschriebenen Rhampholeon-Arten. Die Hemipenes der Männchen dieser Arten konnten ausführlich beschrieben werden. Ein charakteristisches Merkmal von Rhampholeon colemani ist der Nasenfortsatz, der in einem Winkel von bis zu 59°C zur Schnauze steht bzw. etwas nach unten zeigt. Bei allen anderen Erdchamäleons der Gattung ist der Winkel deutlich geringer, der Nasenfortsatz steht also eher gerade ab.

Rhampholeon sabini erhielt seinen Namen zu Ehren Andy Sabin für finanzielle Unterstützung und weltweitem Engagement im Umweltschutz. Die Art lebt in Tansania im submontanen Regenwald zweier benachbarter Reservate, die im Nordosten des Landes rund 250 km von der Küstenstadt Daressalaam liegen. Einer der Lebensräume ist das Nguu North Forest Reserve, das andere das Kilindi Forest Reserve, beide auf gut 1200 m üNN. Rhampholeon sabini wird bis zu 54 mm groß, wobei die relative Größe von Kopf und Schwanz im Verhältnis zum übrigen Körper größer als bei den anderen Arten erscheinen.

Rhampholeon rubeho kommt auf den gleichnamigen Bergen, den Rubeho Mountains, auf rund 1870 m üNN vor, die sich rund 150 km östlich der Hauptstadt Dodoma befinden. Der von dieser Art bewohnte Regenwald liegt vorwiegend im Mafwomero Forest Reserve. Rhampholeon rubeho wird bis zu 63 mm lang. Zusätzlich zählen die Wissenschaftler derzeit eine Population von Erdchamäleons im Ilole Forest Reserve in 50 km Entfernung, am südlichen Ausläufer der Rubeho Mountains, zu dieser Art. Diese Population ist jedoch genetisch noch nicht untersucht.

Rhampholeon nicolai wurde benannt nach dem verstorbenen Nicola Colangelo, einem Unternehmer aus Tansania, der sich für den Artenschutz und nachhaltige Ressourcennutzung einsetzte. Rhampholeon nicolai wird bis zu 60 mm lang, wobei ähnlich wie bei R. sabini die relative Größe von Kopf und Schwanz im Verhältnis zum übrigen Körper größer als bei den anderen Arten erscheint. Rhampholeon nicolai lebt auf den Ukaguru Mountains, die sich nur wenig nördlich der Rubeho Mountains befinden. Es wurde in den drei aneinander liegenden Schutzgebieten Mamiwa Kisara North Forest Reserve, Mamiwa Kisara South Forest Reserve und dem Ikwamba Forest Reserve auf 1970 m Höhe nachgewiesen. Eine Population von Erdchamäleons im nahen Mikuvi Forest wird zunächst zur Art gezählt, ihr genauer Status muss jedoch noch untersucht werden.

Rhampholeon waynelotteri bekam seinen Namen zu Ehren des ermordeten südafrikanischen Naturschutzaktivisten Wayne Lotter, der sich vor allem im Kampf gegen die Wilderei von Elefanten engagierte. Dieses Erdchamäleon wird bis zu 55 m groß. Es bewohnt den Mount Kanga, etwa 120 km von der Küste des Indischen Ozeans entfernt. Mount Kanga zählt zu den Nguru Mountains, obwohl der Berg vom Hauptmassiv durch einen 8 km breiten Tieflandkorridor und einen Fluss getrennt ist. Rhampholeon waynelotteri ist vom Kanga Forest Reserve auf etwa 1280 m Höhe sowie de Mkingu Nature Reserve beschrieben. Im Letzteren kommt es gemeinsam mit Rhampholeon acuminatus vor, von dem es aber durch seinen anders geformten Nasenfortsatz sowie kleine Fortsätze über den Augen gut unterschieden werden kann. Eine Erdchamäleon-Population auf dem Mount Nguru wurde zunächst Rhampholeon waynelotteri zugeschrieben, weitere Forschung steht jedoch noch aus.

Rhampholeon princeeai wurde benannt nach dem amerikanischen Künstler und YouTuber Prince Ea. Rhampholein princeeai lebt auf Höhen von 1870 m im Mkingu Nature Reserve auf den Nguru Bergen. Dort kommen auch Rhampholeon waynelotteri und Rhampholeon acuminatus vor. Die Art wird bis zu 46 mm lang und hat eine Besonderheit: Der Nasenfortsatz weist, von oben betrachtet, eine dreieckige Form auf. Außerdem hat die Art eine kleine Vertiefung in der Leistengegend, die die anderen bisher untersuchten Arten nicht aufweisen.

Die bereits bekannte Art Rhampholeon uluguruensis wurde ausschließlich im namensgebenden Uluguru Nature Reserve und dem Mkungwe Forest Reserve gefunden. Rhampholeon moyeri kommt lediglich im Uzungwa Scarp Nature Reserve in den Udzungwa Bergen vor. Rhampholeon beraduccii ist auf das Sali Forest Reserve in den Mahenge Bergen begrenzt und Rhampholeon acuminatus, wie schon vorweggenommen, lebt ausschließlich im Mingu Nature Reserve in den Nguru Bergen.

Cryptic diversity in pygmy chameleons (Chamaeleonidae: Rhampholeon) of the Eastern Arc Mountains of Tanzania, with description of six new species
Michelle Menegon, John V. Lyakurwa, Simon P. Loader, Krystal A. Tolley
Acta Herpetologica 17 (2): 85-113, 2022
DOI: 10.36253/a_h-12978

Foto: Rhampholeon rubeho, aus der oben genannten Publikation