Unbekanntes Chamäleon im Wald von Ivohiboro (Madagaskar) entdeckt

Unbekanntes Chamäleon im Wald von Ivohiboro (Madagaskar) entdeckt

Verbreitung Wissenschaft

Auf Madagaskar gibt es auch heute noch nahezu unerforschte Gebiete. Der Regenwald von Ivohiboro liegt im Südosten der Insel im gleichnamigen Schutzgebiet, südwestlich der südlichsten Ausläufer des Andringitra-Gebirges. Der Wald selbst ist rund 8,58 km² groß und nimmt damit nur einen kleinen Teil des Schutzgebietes ein. Er ist umgeben von Savannen und überspannt Höhenlagen von 650 bis 1460 m über Meeresniveau. Das Schutzgebiet wird derzeit von lokalen Organisationen sowie dem madagassischen Umweltministerium verwaltet. Die letzte Expedition zur Erkundung des Waldes von Ivohiboro fand 1924 statt. Seit 2016 haben nun Forscher aus den USA und Großbritannien sechs Expeditionen in den kleinen Wald unternommen, um die Artenvielfalt an Pflanzen, Vögeln, Säugetieren, Reptilien und Amphibien dort genauer zu untersuchen.

Zum Nachweis von Reptilien und Amphibien wurde der Wald in neun Transekte von rund 200 x 20 m geteilt, die jeweils mehr als 200 m voneinander entfernt waren. Mehrere Tage und Nächte wurden die Transekte durchsucht. Alle gefundenen Tiere wurden dokumentiert und, wenn möglich, bis auf Gattungs- oder Artebene bestimmt.

Im Ergebnis konnten die Wissenschaftler 107 Arten Wirbeltiere und 219 Pflanzen identifizieren. Diese enorme Artenvielfalt unterstreicht die Wichtigkeit, den Wald im Sinne des Artenschutzes zu erhalten und deutet auf ein gut funktionierendes Ökosystem hin. Unter den gefundenen Arten befanden sich zwei Chamäleons: Eine Palleon-Art sowie ein kleines Calumma. Zu ersterer gibt die Publikation leider keine weiteren Informationen. Das kleine Calumma wies einen auffällig blau gefärbten Nasenfortsatz auf, wie er bei Calumma linotum oder Calumma boettgeri im hohen Norden Madagaskar vorkommt. Da genetische Untersuchungen noch fehlen, ist unklar, ob es sich bei diesen Chamäleons um eine extrem weite Erweiterung des Verbreitungsgebietes handelt – Ivohiboro liegt rund 1000 km südlich der Verbreitungsgebiete von Calumma boettgeri und Calumma linotum – oder ob es vielleicht sogar eine neue, noch unbeschriebene Art ist.

A surprising haven: The biodiversity of an old-growth forest amidst a scorched landscape in Madagascar
Beatriz Otero Jimenez, Ren Montaño, Ryan S. Rothman, Rachel C. Williams, Patricia C. Wright
Conservation Science and Practice, 2023
DOI: 10.1111/csp2.12993

Chamäleons auf unterschiedlichen Höhenstufen des Montagne d’Ambre (Madagaskar)

Chamäleons auf unterschiedlichen Höhenstufen des Montagne d’Ambre (Madagaskar)

Wissenschaft

Internationale Wissenschaftler haben sich intensiv mit den unterschiedlichen Höhenlagen des Montagne d’Ambre und den dort vorkommenden Amphibien und Reptilien beschäftigt. Der Montagne d’Ambre ist ein ehemaliges Vulkanmassiv im Norden Madagaskars. Der bis zu 1475 m hohe Berg ist vor allem von Regenwald bedeckt, der dem gleichnamigen Nationalpark angehört. Im Norden des Berges liegt ein Trockenwald, der zum Forêt d’Ambre Special Reserve gehört. Die Nordwestflanke des Berges ist bisher nicht geschützt.

In der vorliegenden Arbeit wurden Amphibien und Reptilien über 12 km zwischen 700 und 1470 Höhenmeter beobachtet und beprobt. In die Studie wurde auch erstmals der Westhang des Montagne d’Ambre auf Höhen zwischen 770 und 1290 m eingeschlossen. Zusätzlich wurden Tiere im Forêt d’Ambre ab einer Höhe von 470 m beprobt. Alle gefundenen Tiere wurden vermessen. Es wurden sowohl Wangentupfer, Schuppen als auch lebende Tiere, die euthanasiert wurden, entnommen und genetisch untersucht. Insgesamt kam es zu 2631 Beobachtungen von 34 Arten Amphibien und 48 Arten von Reptilien. Wie erwartet kamen auf unterschiedlichen Höhenlagen unterschiedliche Tiere vor. Der Artenreichtum des Montagne d’Ambre war dabei auf rund 1000 m üNN mit 41 verschiedenen Arten am größten. Über 1100 m waren rund ein Drittel der vorgefundenen Arten lokal endemisch.

Beim Erdchamäleon Brookesia tuberculata konnten zwei genetische Cluster identifiziert werden. Gruppe 1 lebt auf an der Ostflanke des Montagne d’Ambre auf Höhen von 887 bis 1170 m, Gruppe 2 auf 1260 bis 1455 m an der Ostflanke sowie auf 956 bis 1150 m am Westhang des Montagne d’Ambre. Bei Gruppe 1 fielen besonders viele mitochondriale Haplotypen auf, während Gruppe 2 lediglich einen einzigen Haplotyp aufwies. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Art wegen ihrer geringen Körpergröße und hohen Standorttreue eher zu isolierten Gruppen neigt als Baum bewohnende Chamäleons, die natürliche Barrieren leichter überwinden und sich damit in einem wesentlich größerem Umgebungsradius fortbewegen können.

Bei Calumma linotum waren die genetischen Unterschiede zwischen drei Gruppen auf unterschiedlichen Höhen eher gering ausgeprägt. Auch die Messdaten verschiedener Körpermaße zeigten bei dieser Art auf den unterschiedlichen Höhenlagen keinen eindeutigen Trend. Zwar schienen Calumma linotum auf niedrigeren Höhen etwas kleiner zu sein, das könnte aber auch an als Weibchen fehlidentifizierten subadulten Individuen gelegen haben. Bei Calumma amber und Calumma ambreense sank die Körpergröße, je höher im Montagne d’Ambre die Chamäleons gefunden wurden. Möglicherweise hängt dies mit den kühleren Temperaturen in höheren Lagen zusammen, die zu einem langsameren Wachstum beitragen. Es könnte aber auch sein, dass schlicht mehr jüngere Tiere vermessen wurden.

Die Studie bringt interessante Anpassungen verschiedener Chamäleonarten an die Höhenunterschiede des Montagne d’Ambre zu Tage. Möglicherweise handelt es sich dabei bereits um erste Hinweise auf ein frühes Stadium von Artbildung. Die Arbeit verdeutlicht außerdem, wie wichtig die unterschiedlichen Höhenstufen für die Artenvielfalt sind.

Repeated divergence of amphibians and reptiles across an elevational gradient in northern Madagascar
Mark D. Scherz, Robin Schmidt, Jason L. Brown, Julian Glos, Ella Z. Lattenkamp, Zafimahery Rakotomalala, Andolalao Rakotoarison, Ricky T. Rakotonindrina, Onja Randriamalala, Achille P. Raselimanana, Safidy M. Rasolonjatovo, Fanomezana M. Ratsoavina, Jary H. Razafindraibe, Frank Glaw, Miguel Vences
Ecology and Evolution 13 (3)
DOI: 10.1002/ece3.9914

Haltung und Zucht von Calumma linotum

Haltung und Zucht von Calumma linotum

Haltungsberichte

Die Haltung und Zucht von kleinen Chamäleons der Gattung Calumma findet bisher scheinbar nur in eher kleinem Rahmen Liebhaber. Umso schöner ist es, dass gerade ein neuer Bericht über die Haltung und insbesondere die erfolgreiche Nachzucht von Calumma linotum veröffentlicht wurde. Michael Nash aus den USA hält die Art seit über drei Jahren und gibt seine Erfahrungen ausführlich wieder.

Er hält seine Tiere in den bei uns gängigen Terrarien mit komplett belüftetem Deckel und entweder Lüftungen im Frontboden oder der gesamten Front als Lüftung, lebenden Pflanzen und lebendem Bodengrund. Als Beleuchtung kommen T5-Röhren mit und ohne UV-B zum Einsatz. Bei der Ernährung nutzt er zu gut 50% Fruchtfliegen (Drosophila spp.), und ansonsten unter anderem kleine Grillen, Heimchen, Schmeißfliegen und Mantidennymphen.

Die besten Zuchterfolge gelangen mit Einzelhaltung und dem Zusammensetzen für wenige Tage zur Paarung während der imitierten Regenzeit. Um Paarungsverhalten auszulösen, werden Trocken- und Regenzeit nachgestellt. Die Trockenzeit kennzeichnet sich vor allem durch eine massive Nachtabsenkung der Temperatur bis 10°C und weniger Beregnung. Während der imitierten Regenzeit steigen die Temperaturen tagsüber auf um 26°C und nachts 18-21°C, zusätzlich wird über Tag vermehrt beregnet.

Die Weibchen legen nach durchschnittlich 22 bis 40 Tagen Trächtigkeit 2-3 Eier. Dabei fiel bisher auf, dass verpaarte Weibchen der Art ungewöhnlich lange zur Vorratsbefruchtung fähig sind, nämlich bis zu fünf Gelege lang. Die Eier werden zunächst über zwei bis vier Wochen bei 16 bis 21°C inkubiert. Danach folgt eine Diapause über 30 bis 45 Tage bei 10 bis 15°C. Im Anschluss liegen die Eier bei tagsüber 22°C und nachts zwischen 16,7 und 19,5°C. Zeigen die Eier beim Schieren nach der Diapause noch keine Embryonal- und Gefäßentwicklung, ist es möglich, eine zweite Diapause zu imitieren – spätestens danach sollte erste Eientwicklung erkennbar sein. Nach 5 bis 7 Monaten schlüpften unter diesen Inkubationsbedingungen aktive Jungtiere. Der Autor hat bisher elf Gelege erfolgreich zum Schlupf gebracht.

Insgesamt ein sehr lesenswerter Haltungsbericht, der hoffentlich andere Halter bei der Nachzucht und langfristigen Erhaltung dieser interessanten, kleinen Art im Terrarium unterstützt.

Keeping and breeding Calumma linotum
Michael Nash
Responsible Herpetoculture Journal 7, 2023
keine DOI vorhanden