Haltung und Zucht von Brookesia thieli

Haltung und Zucht von Brookesia thieli

Haltungsberichte

Die Zucht von Erdchamäleons außerhalb Madagaskars gelingt bereits seit den 1990er Jahren. Trotzdem gibt es nur wenige Halter, die langfristig Zuchterfolge nachweisen können oder sich über Jahre mit einzelnen Erdchamäleon-Arten beschäftigen. Michael Nash aus den USA hat nun einen ausführlichen Haltungs- und Zuchtbericht zu Brookesia thieli veröffentlicht.

Er hält seine Tiere in den bei uns gängigen Terrarien mit komplett belüftetem Deckel und entweder Lüftungen im Frontboden oder der gesamten Front als Lüftung, lebenden Pflanzen und lebendem Bodengrund. Als Beleuchtung kommen T5 HO und Halogenspots zum Einsatz. Die besten Zuchterfolge gelangen mit Haltung von zwei oder drei Männchen gemeinsam mit vier Weibchen. Dabei konnte der Autor spannende Beobachtungen zum Abwehrverhalten bei Männchen machen, bei denen die Tiere ihr Maul nicht nur aufreißen, sondern ihre Maulhöhle regelrecht vorstülpen. Bei der Ernährung nutzt der Autor neben dem üblichen Kleinfutter wie Microheimchen, Bohnenkäfer und diverse Fliegen auch Zelus renardii, eine Art Raubkäfer aus Nordamerika. Dieser wird als Nützling verkauft und beispielsweise im Mittelmeerraum zur Bekämpfung bestimmter Schädlinge in Olivenplantagen eingesetzt. Außerdem nahmen Brookesia thieli beim Autor angebotene geflügelte Termiten besonders gerne, was ebenfalls ein interessantes und für Chamäleons bisher kaum genutztes Futtertier sein dürfte.

Um Paarungsverhalten auszulösen, werden Trocken- und Regenzeit imitiert. Die Trockenzeit kennzeichnet sich vor allem durch eine massive Nachtabsenkung der Temperatur bis 13°C und weniger Beregnung. Während der imitierten Regenzeit steigen die Temperaturen tagsüber auf um 26°C und nachts 19-21°C, zusätzlich wird über Tag vermehrt beregnet. Die Weibchen legen nach durchschnittlich 30 bis 60 Tagen Trächtigkeit 3-5 Eier, wobei pro Weibchen bis zu drei Gelege pro Saison vorkommen. Die besten Inkubationserfolge wurden mit 21-23°C tagsüber und 19-20°C nachts erzielt. Der Autor merkt an, dass die Schlupfraten nach Supplementation des Futters mit präformiertem Vitamin A alle zwei Monate gestiegen sind.

Insgesamt handelt es sich um einen sehr lesenswerter Haltungsbericht mit vielen spannenden Details. Es bleibt zu hoffen, dass die Daten Halter bei der Nachzucht und langfristigen Erhaltung dieser spannenden Erdchamäleonart im Terrarium unterstützen.

Keeping and breeding Brookesia thieli
Michael Nash
Responsible Herpetoculture Journal 5, 2022
keine DOI vorhanden

Parasitenbehandlung bei Erdchamäleons

Parasitenbehandlung bei Erdchamäleons

Tiermedizin

Am letzten Wochenende fand die Herbsttagung der AG Amphibien- und Reptilienkrankheiten statt. Die AG ARK istmit über 500 Mitgliedern einer der stärksten Untergruppierungen der DGHT und gleichzeitig die größte Vereinigung von Tierärzten für Amphibien und Reptilien in Europa. Entsprechend war die Herbsttagung in Münster wie immer ausgebucht. Neben dem Hauptthema der Tagung, asiatische Schildkröten, wurde auch ein Fallbericht zur Parasitenbehandlung bei Erdchamäleons vorgestellt.

Dabei wurden 7,5 subadulte und adulte Brookesia stumpffi (5 Wildfänge, 7  deutsche Nachzuchten aus verschiedenen Haltungen) für ein Zuchtprojekt erworben. Kotuntersuchungen aller Erdchamäleons wurden durchgeführt. Dabei wurden in Flotation und Nativpräparaten massenweise Choleoeimeria spp., vermutlich Choleoeimeria brookesiae, bei nahezu allen Erdchamäleons gefunden. Zusätzlich waren vereinzelt Koinfektionen mit Heterakis spp. und Trematoden vorhanden. Im Kot mehrerer Tiere wurden strongyliden-artige Eier mit dünner Schale und Larve sowie adulte Nematoden gefunden. Ein Behandlungsprotokoll  mit Baycox 50 mg/ml (Elanco Animal Health, Rathausplatz 12, 61352 Bad Homburg, Wirkstoff Toltrazuril) an Tag 1, 7 und 14 sowie Panacur 10% (Intervet Deutschland, Feldstraße 1a, 85716 Unterschleißheim, Wirkstoff Fenbendazol) an Tag 3 und 13 erwies sich als erfolgreich. Die verdünnten Lösungen wurden mit einer 100 µl-Pipette ins Maul gegeben. Als praxistaugliches Protokoll wurden Kotuntersuchungen zu Beginn der Quarantäne sowie an Tag 14, 28 und 42 nach Behandlung vorgeschlagen.

Das größte Problem während der Behandlung stellte die Reinfektion mit Kokzidien-Oozysten aus der Umgebung dar. Die Erdchamäleons reinfizierten sich unter anderem über nicht entfernte Futtertiere sowie Kotreste an bekletterter Gaze und lebenden Pflanzen. Eine erfolgreiche Quarantäne wurde schließlich unter folgenden Parametern erreicht: Einzelhaltung ohne Sichtkontakt in getrennten Terrarien, täglicher Austausch des Küchenpapiers am Boden und eines frisch geschnittenen Holunderasts, Verwendung neuer Handschuhe für jedes Chamäleon, langsam bewegliches Futter aus täglich in kochendem Wasser desinfizierten Näpfen, wöchentliche Desinfektion mit gebrauchsfertigem Interkokask® (Albert Kerbl GmbH, Felizenzell 9, 84428 Buchbach, Wirkstoff Chlorkresol). Eine extrem strikte Einhaltung aller Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen war notwendig.

Parasitenbehandlung bei Erdchamäleons (Brookesia stumpffi)
Dr. Alexandra Laube
Tagungsband der 57. Arbeitstagung der AG Amphibien- und Reptilienkrankheiten, Schwerpunktthema: Asiatische Schildkröten
Münster, 04.-06. November 2022

Unerwartete genetische Vielfalt bei Erdchamäleons im Westen Madagaskars

Unerwartete genetische Vielfalt bei Erdchamäleons im Westen Madagaskars

Wissenschaft

Bisher dachte man, dass das Erdchamäleon Brookesia bonsi ausschließlich in den Tsingy von Namoroka im Westen Madagaskars vorkommt. Deutsche und madagassische Forscher haben jetzt herausgefunden, dass gut 150 km weiter nördlich unweit der Küstenstadt Mahajanga sehr nahe Verwandte der Art leben. Die Erdchamäleons aus einem Wald bei Antsanitia sehen zwar äußerlich eher Brookesia decaryi ähnlich, genetisch sind sie aber näher verwandt mit Brookesia bonsi. Dagegen scheinen die echten Brookesia decaryi aus Ankarafantsika, 80 km östlich von Mahajanga, ausschließlich auf dieses Vorkommen beschränkt und nicht weiter verbreitet zu sein, wie man ursprünglich angenommen hatte. In den gleichen Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass eine weitere Population Erdchamäleons aus dem UNESCO Weltnanturerbe Tsingy de Bemaraha ebenfalls nahe verwandt mit Brookesia bonsi ist. Die Erdchamäleons der dort vorkommenden Population hatte man rein optisch bisher eher Brookesia brygooi zugeordnet.

Weitere Arbeiten sind nun notwendig, um die genaue genetische Identität der Brookesia aff. bonsi zu klären. Sind es eigene Arten oder lediglich lokal isolierte Populationen von Brookesia bonsi? Eins jedoch ist schon jetzt sicher: Der Lebensraum nahe Mahajanga sollte dringend unter Schutz gestellt werden. Die Erdchamäleons müssen geschützt werden, damit sie überhaupt weiter erforscht werden können. Nach der aktuellen Datenlage könnten sie bereits jetzt vom Aussterben bedroht (IUCN: critically endangered) sein. Und die weitere Forschung könnte noch sehr spannend werden!

New records of threatened leaf chameleons highlight unexpected genetic diversity of the Brookesia decaryi / B. bonsi species complex in western Madagascar
Frank Glaw, Njaratiana A. Raharinoro, Rojo N. Ravelojaona, David Prötzel und Miguel Vences
Der Zoologische Garten 90, 2022 (1)
DOI 10.53188/zg003