Karyogramme fünf madagassischer Chamäleons beschrieben

Karyogramme fünf madagassischer Chamäleons beschrieben

Wissenschaft

Dass das Geschlecht bei Chamäleons genetisch festgelegt wird, ist schon viele Jahre bekannt. Die Karyogramme vieler Arten, also die Chromsomeneigenschaften, sind jedoch noch nicht von allen Arten bekannt. Italienische Wissenschaftler haben sich nun mit den Karyogrammen fünf madagassischer Chamäleonarten beschäftigt.

Zur Untersuchung genutzt wurde bereits vorhandene, konservierte Chamäleons. Je ein Weibchen der Arten Furcifer balteatus, Furcifer petteri, Furcifer major und Furcifer minor wurden beprobt. Ein männliches und ein weibliches Brookesia superciliaris wurden ebenfalls für die Studie herangezogen. Alle Proben wurden einer DNA-Barcoding-Analyse unterzogen, als Marker genutzt wurde das mitochondriale Genfragment COI. Die extrahierte DNA wurde per PCR vervielfacht und dann sequenziert, um für jedes Tier ein Karyogramm zu erstellen.

Das Karyogramm von Brookesia superciliaris lautet 2 n = 34 für beide Geschlechter. Von den 34 Chromsomen sind sechs Makrochromosomenpaare, elf Mikrochromosomenpaare. Alle Makrochromosomen sind metazentrisch. Morphologisch unterscheiden sich die Chromosomen nicht voneinander, so dass bisher unklar bleibt, welche die Geschlechtschromosomen sein könnten.

Furcifer balteatus verfügt über ein sehr spezielles Karyogramm, was eigentlich besser zu denen der Gattungen Brookesia und Palleon als zur Gattung Furcifer passt. Das Karyogramm lautet 2n = 34, was die höchste Chromosomenzahl unter den Chamäleons darstellt. Von den 34 Chromosomen sind sechs Makrochromosomenpaare und elf Mikrochromosomenpaare. Die ersteren sind alle metazentrisch. Zwischen den Chromosomenpaare sind keine morphologischen Unterschiede zu erkennen, so dass das Geschlechtschromosom bisher nicht festgestellt werden konnte.

Das Karyogramm von Furcifer major ist 2n = 24. Neun der Chromosomenpaare sind Makrochromosomen-, drei Mikrochromosomenpaare. Sieben der Makrochromosomenpaare sind metazentrisch, nur die Paare zwei und drei sind submetazentrisch. Das elfte Chromosomenpaar, ein Mikrochromosomenpaar, codiert für das Geschlechtschromosom W.

Furcifer minor verfügt über ein Karyogramm von 2n = 22 Chromosomen. Davon sind je acht Paare Makro-, drei Mikrochromosomenpaare. Unter den Makrochromosomen sind die ersten fünf Paare metazentrisch, während die übrigen drei Paare akrozentrischsind. Ein Anteil des sechsten Chromosomenpaars war fast vollständig heterochromatisch und stellt vermutlich das Geschlechtschromosom W dar.

Das Karyogramm von Furcifer petteri ist ebenfalls 2n = 22. Acht Chromosomenpaare davon sind Makro-, drei Mikrochromosomen. Sieben Paare der Makrochromosomen sind metazentrisch, lediglich das fünfte Paar ist submetazentrisch. Das Geschlechtschromosom W ist Teil des siebten Makrochromosomenpaar.

Alle neu beschriebenen Karyogramme sind bei GenBank unter der Nummer PQ272538-4 hinterlegt. Die Gattung Furcifer zeigte sich auch in dieser Studie als die mit der höchsten Vielfalt in den Karyogrammen. Sie scheint auch die einzige Gattung unter allen Wirbeltieren zu sein, die alle Varianten der Diversifikation der Geschlechtschromosomen aufweist.

New insights on Chromosome Diversification in Malagasy Chameleons
Marcello Mezzasalma, Gaetano Odierna, Rachele Macirella, Elvira Brunelli
Animals 2024, 14: 2818
DOI: 10.3390/ani14192818

Grafik: Karyogramme von Brookesia superciliaris und Furcifer balteatus aus der genannten Studie

Fünf neue Rhampholeon-Arten

Fünf neue Rhampholeon-Arten

Neubeschreibungen Wissenschaft

Bei den kleinen, braunen Erdchamäleons auf dem Festland Afrikas gibt es noch einiges zu entdecken. Nachdem vor zwei Jahren im Rhampholeon uluguruensis/moyeri-Komplex in Tansania neue Arten entdeckt werden konnten, haben internationale Wissenschaftler nun den Rhampholeon boulengeri Komplex genauer unter die Lupe genommen. Und wie erwartet tauchten auch dabei neue Arten auf!

Die Erdchamäleons aus diesem Komplex bewohnen verschiedenen Lebensräume entlang des Großen Afrikanischen Grabenbruchs (englisch Albertine Rift). Diese 6000 km lange Kette aus Gebirgen und Gräben reicht vom Albert-See in Uganda bis zum See Tanganyika. Dabei kreuzt sie die Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Burundi und Tansania. In der Gattung Rhampholeon unterscheiden sich die Arten äußerlich kaum, leben jedoch oft in sehr unterschiedlichen Lebensräumen oder sind genetisch gut voneinander abzugrenzen. Die Autoren untersuchten über 130 Erdchamäleons von mehr als 20 verschiedenen Orten sowie die Lectotypen (den Holotypus gibt es nicht mehr) der Art Rhampholeon boulengeri. Dabei konnten sie mittels genetischer Untersuchungen gleich fünf neue Rhampholeon-Arten ausmachen.

Die bereits bekannte Art Rhampholeon boulengeri, beschrieben 1908 von Grauer, kommt nach den aktuellen Daten ausschließlich in seiner Typuslokalität vor. Diese ist das Itombwe Plateau in der Demokratischen Republik Kongo, auf Höhen zwischen 2100 und 2470 m.

Rhampholeon plumptrei erhielt seinen Namen zu Ehren des englischen Zoologen Andrew Plumptre. Er setzt sich seit fast 20 Jahren als Vorsitzender der Wildlife Conservation Society für den Artenschutz entlang des Afrikanischen Grabenbruchs ein. Die Art lebt in montanem und submontanem Regenwald auf Höhen von 1203-2269 m, wobei sie am häufigsten auf 1200 bis 1700 m zu finden sind. Die Verbreitung reicht dabei vom Osten der Demokratischen Republik Kongo mit dem Kahuzi-Biega Nationalpark bis in den Westen Kenias zum Kakamega Forest Nationalreservat. Dazwischen kommt Rhampoleon plumptrei im Bwindi Impenetrable Nationalpark, im Mabira sowie im Kalinzu Central Forest Reserve im Westen Ugandas vor. Es trägt einen deutlich sichtbaren Nasenfortsatz und einen nur etwas kürzeren Schwanz als Rhampholeon boulengeri.  Rhampholeon plumptrei wird bis zu 60 mm groß. Die Männchen tragen eine weiße Färbung an Kehle und Bauch und einen oder zwei diagonal verlaufende dunklen Streifen auf dem Körper. Die meisten Chamäleons dieser Art tragen einen dunkel gefärbten Tuberkel im Nacken.

Rhampholeon nalubaale wurde nach dem Luganda Wort für „Göttin“ benannt, das auch der einheimische Name des Viktoriasees ist, dem größten See Afrikas. Von dieser Art kennt man bisher nur die Weibchen, Männchen wurden noch nicht gefunden. Rhampholeon nalubaale kommt in submontanem Regenwald auf Höhen von 513 bis 1506 m vor. Am häufigsten ist es im Kibale Nationalpark in Uganda, man kann es aber auch im Budungo Central Forest Reserve im gleichen Land und im Kahuzi-Biega Nationalpark sowie dem Itombwe Natural Reserve in der Demokratischen Republik Kongo finden. Rhampholeon nalubaale wird bis zu 56 mm lang. Eins der aufgefundenen Tiere wurde mit UV-Licht angestrahlt und einige der Tuberkel im Gesicht fluoreszierten daraufhin blau, wie das schon von anderen Chamäleons bekannt ist – für die Gattung Rhampholeon ist es jedoch neu. Die Art kommt zusammen mit Trioceros johnstoni und Kinyongia tolleyae vor.

Rhampholeon bombayi wurde nach dem waYao Forscher Sidi Mubarak Bombay benannt. Er wurde 1820 auf der Grenze von Tansania zu Mosambik geboren und früh als Sklave nach Indien verkauft. Später kehrte er nach Afrika zurück und machte sich auf Expeditionen britischer Forscher in Ostafrika einen Namen. Rhampholeon bombayi wird bis zu 55 mm lang. Rhampholeon bombayi lebt in Montanwäldern auf Höhen von 1450 bis 2330 m in Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Es wurde bisher im Kahuzi-Biega Nationalpark, im Kabobo Natural Reserve, im Itombwe Natural Reserve und dem Nyungwe Forest Nationalpark nachgewiesen. Im gleichen Wald leben ebenfalls Trioceros johnstoni und Trioceros schoutedeni. Die Tiere tragen zwei oder drei dunkle Linien diagonal auf dem Körper, Schwanz und Extremitäten sind häufig dunkler braun als der Körperstamm.

Rhampholeon msitugrabensis wurde nach dem großen Afrikanischen Grabenbruch benannt. Das Swahili Wort für Wald, msitu, und das deutsche Wort Graben wurden dabei kombiniert. Dieses Erdchamäleon wird bis zu 49 mm groß. Es bewohnt Waldränder bei Mpishi nahe dem Kibira Nationalpark in Burundi. Rhampholeon msitugrabensis ist außerdem vom Mount Bigugu im Nyungwe Forest Nationalpark in Ruanda beschrieben, so dass sein Vorkommen sich von 1986 bis 2699 m zieht. Im Nyungwe Forest kommt Rhampholeon msitugrabensis allopatrisch mit Rhampholeon bombayi vor, genauer im Kamiranzovu Sumpfgebiet auf 2000 bis 2330 m Höhe. Andere Chamäleons, die mit Rhampholeon msitugrabensis einen Lebensraum teilen, sind Trioceros ellioti, Chamaeleo dilepis und Kinyongia rugegensis.

Rhampholeon monteslunae wurde nach seinem Lebensraum benannt, dem Ruwenzori-Gebirge auf der Grenze der Demokratischen Republik Kongo und Uganda. Bereits 150 nach Christus wurde diese Gebirgskette, in der der Nil entspringt, von Ptolemäus als „Lunae Montes“, zu deutsch Mondberge beschrieben. Rhampholeon monteslunae kommt auf Höhen von 1655 bis 2360 m vor und ist am häufigsten im Ruwenzori Mountains Nationalpark nahe dem Nyakalengija-Eingang. Eine weitere Population findet sich im Bururi Forest Nature Reserve in Burundi. Dieses Erdchamäleon wird bis zu 47 mm lang. In den gleichen Wäldern kommen unter anderem Kinyongia carpenteri, Kinyongia xenorhina, Kinyongia tolleyae, Trioceros ellioti, Trioceros johnstoni und Trioceros rudis vor.


Taxonomy of the Rhampholeon boulengeri Complex (Sauria: Chamaeleonidae): Five new species from central Africa’s Albertine Rift
Daniel F. Hughes, Mathias Behangana, Wilber Lukwago, Michele Menegon, J. Maximilian Dehling, Philipp Wagner, Colin R. Tilbury, Trisan South, Chifundera Kusamba, Eli Greenbaum
Zootaxa Vol. 5458 4, 2024, pp. 451-494
DOI: 10.11646/zootaxa.5458.4.1

Foto: Von links oben nach rechts unten Rhampholeon boulengeri, Rhampholeon plumptrei, Rhampholeon nalubaale, Rhampholeon bombayi, Rhampholeon msitugrabensis und Rhampholeon monteslunae aus der oben genannten Publikation

Was Farbmuster bei Chamäleons beeinflusst

Was Farbmuster bei Chamäleons beeinflusst

Wissenschaft

Chamäleons sind bekannt wegen ihrer Fähigkeit zum Farbwechsel. Was genau verschiedene Farbmuster in verschiedenen Populationen beeinflusst, haben jetzt internationale Wissenschaftler untersucht. Sie wollen wissen, inwiefern der Lebensraum selbst, die Entfernung zu anderen Populationen oder soziale Interaktionen den Farbwechsel beeinflussten.

Als Probanden wurden zum einen Europäische Chamäleons (Chamaeleo chamaeleon) in La Herradura und Sanlúcar in Spanien gefangen. Die beiden Regionen liegen rund 230 km voneinander entfernt. Weitere Chamaeleo chameleon wurden in der nördwestlichen Negev und an der Carmel Küste in Israel entnommen (rund 180 km voneinander getrennt). Zum anderen wurden Lappenchamäleons (Chamaeleo dilepis) in Simbithi, Zulu Falls und Maduma Boma in Südafrika gefangen. Die drei Orte liegen zwischen 100 und 550 km voneinander entfernt.

Jedes Chamäleon wurde zwei Experimenten unterzogen. Im ersten ließen die Wissenschaftler das Chamäleon zwei Meter auf einem horizontalen Stock, der in der Sonne rund einen Meter über dem Boden aufgestellt wurde, laufen. Im zweiten Experiment wurde auf den gleichen Stock 50 cm entfernt vom ersten Chamäleon ein zweites der gleichen Art gesetzt. Die Farbmuster, die das Tier während der Experimente zeigte, sowie das Verhalten wurden 20 Minuten lang aufgezeichnet. Anschließend wurden die Daten mittels Computerprogrammen ausgewertet. Blut wurde allen Chamäleons aus einer abgeschnittenen Kralle entnommen und genetisch untersucht. Die Lebensräume und Bodengegebenheiten wurden auf verschiedene Weisen zusätzlich untersucht und statistisch ausgewertet. Die eingefangenen Tiere wurden maximal 12 h in belüfteten Plastikkäfigen gehalten und nach den Untersuchungen wieder freigelassen. Wie viele Chamäleons insgesamt gefangen und freigelassen wurden, wird leider in der Studie nicht erwähnt.

Wie erwartet stellte sich heraus, dass die einzelnen Populationen sich sowohl beim Europäischen als auch beim Lappenchamäleon genetisch voneinander unterschieden. Dabei wiesen die Populationen von Chamaeleo dilepis signifikant unterschiedliche Haplotypen auf.

Beim Lappenchamäleon waren die Weibchen an zwei Orten deutlich größer als die Männchen, lediglich in Simbithi nicht. Außerdem stellten die Wissenschaftler fest, dass sich die Farbmuster der drei untersuchten Populationen klar voneinander unterscheiden ließen. Sie schlossen aus den Ergebnissen, dass die Farbmuster bei Chamaeleo dilepis vor allem von genetischer Isolation abhängig sind. Das Habitat selbst und die Größe der Chamäleons hatten keinen Einfluss auf die Farbmuster.

Beim Europäischen Chamäleon sah das jedoch anders aus: Die Körpergröße und die genetische Distanz zu anderen Populationen sagten die Farbmuster bei Männchen sehr gut voraus. Dafür waren die Farbmuster unabhängig vom Ort, an dem die Tiere gefunden worden waren. Boden- oder Vegetationsfarben hatten nur bei Weibchen einen geringen Einfluss auf die Farbe.

Genetic and behavioural factors affecting interpopulation colour pattern variation in two congeneric chameleon species
Tammy Keren-Rotem, Devon C. Main, Adi Barocas, David Donaire-Barroso, Michal Haddas-Sasson, Carles Vila, Tal Shaharabany, Lior Wolf, Krystal A. Tolley, Eli Geffen
Royal Society Open Science 11: 231554
DOI:  0.1098/rsos.231554

Genom des Pantherchamäleons entschlüsselt

Genom des Pantherchamäleons entschlüsselt

Wissenschaft

In den letzten Jahrzehnten hat die Genforschung sich rasant entwickelt. Seit 2009 steht für die Sequenzierung von Genomen das sogenannte high fidelity (HiFi) Pacbio Sequenzierungs-Verfahren zur Verfügung. Trotzdem tut sich gerade im Reptilienbereich relativ wenig. Sogenannte Referenzgenome gibt es für Reptilien nur rund hundert, von Chamäleons gibt es gar keine. Wissenschaftler aus China haben nun ein Referenzgenom für das Pantherchamäleon (Furcifer pardalis) veröffentlicht.

Für die Analyse wurde ein 5 Jahre altes, männliches Pantherchamäleon mittels Isofluran getötet und anschließend seziert. Verschiedene Gewebe wurden in flüssigem Stickstoff eingefroren. Für die Kurzsequenzierung der Genom-DNA und die HI-C-Sequenzierung wurde Skelettmuskel verwendet. Für die HiFi-Sequenzierung wurde Leber genutzt. RNA aus Herz, Leber, Milz, Hoden, Lunge, Nieren und Haut wurden für die Transkriptom-Sequenzierung verwendet.

Die Genomgröße des Pantherchamäleons aus der K-mer-Analyse liegt bei 1,61 Gigabasenpaaren (Gbp), wobei es nur 22 sogenannte contigs, Sätze überlappender DNA, enthält. Der Karyotyp enthält 11 Chromosome, das aus jeweils ein bis vier contigs besteht. Zehn von elf Chromosomen weisen Repeatsequenzen auf (TAACCC). Die BUSCO-Analyse wies eine hohe Vollständigkeit des Genoms nach. Das Genom kann im NCBI BioProjekt unter der Nummer PRJNA974816 sowie in der ScienceDataBank eingesehen werden.

Efficient and highly continuous chromosome-level genome assembly of the first chameleon genome
Hongxin Xie, Zixuan Chen, Shuai Pang, Weiguo Du
Genome Biology and Evolution 131, 2023
DOI: 10.1093/gbe/evad131

 

Foto: Alex Laube

Karyotypen bei Chamäleons

Karyotypen bei Chamäleons

Wissenschaft

Wissenschaftler aus Großbritannien und Italien haben sich jetzt mit den Chromosomen verschiedener Chamäleonarten beschäftigt. Sie untersuchten den Karyotyp von insgesamt 83 verschiedenen Chamäleon-Arten. Darunter befanden sich 57 madagassische Chamäleonarten, von denen 32 Karyotypen zum ersten Mal überhaupt beschrieben wurden. Für Calumma brevicorne, Calumma fallax, Calumma parsonii und Furcifer verrucosus waren sogar jeweils mehrere Tiere zur Untersuchung vorhanden. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass vermutlich die Verschmelzung (Fusion) von Chromosomen die Gesamtzahl von Chromosomen im Laufe der Evolution bei Chamäleons verringert hat. Vermutlich fusionierten dabei vor allem Mikrochromosomen (besonders kleine Chromosomen).

Microchromosome fusions underpin convergent evolution of chameleon karyotypes
Marcello Mezzasalma, Jeffrey W Streicher, Fabio M Guarino, Marc E H Jones, Simon P Loader, Gaetano Odierna, Natalie Cooper
Evolution, Juni 2023
DOI: 10.1093/evolut/qpad097

Chamäleons auf unterschiedlichen Höhenstufen des Montagne d’Ambre (Madagaskar)

Chamäleons auf unterschiedlichen Höhenstufen des Montagne d’Ambre (Madagaskar)

Wissenschaft

Internationale Wissenschaftler haben sich intensiv mit den unterschiedlichen Höhenlagen des Montagne d’Ambre und den dort vorkommenden Amphibien und Reptilien beschäftigt. Der Montagne d’Ambre ist ein ehemaliges Vulkanmassiv im Norden Madagaskars. Der bis zu 1475 m hohe Berg ist vor allem von Regenwald bedeckt, der dem gleichnamigen Nationalpark angehört. Im Norden des Berges liegt ein Trockenwald, der zum Forêt d’Ambre Special Reserve gehört. Die Nordwestflanke des Berges ist bisher nicht geschützt.

In der vorliegenden Arbeit wurden Amphibien und Reptilien über 12 km zwischen 700 und 1470 Höhenmeter beobachtet und beprobt. In die Studie wurde auch erstmals der Westhang des Montagne d’Ambre auf Höhen zwischen 770 und 1290 m eingeschlossen. Zusätzlich wurden Tiere im Forêt d’Ambre ab einer Höhe von 470 m beprobt. Alle gefundenen Tiere wurden vermessen. Es wurden sowohl Wangentupfer, Schuppen als auch lebende Tiere, die euthanasiert wurden, entnommen und genetisch untersucht. Insgesamt kam es zu 2631 Beobachtungen von 34 Arten Amphibien und 48 Arten von Reptilien. Wie erwartet kamen auf unterschiedlichen Höhenlagen unterschiedliche Tiere vor. Der Artenreichtum des Montagne d’Ambre war dabei auf rund 1000 m üNN mit 41 verschiedenen Arten am größten. Über 1100 m waren rund ein Drittel der vorgefundenen Arten lokal endemisch.

Beim Erdchamäleon Brookesia tuberculata konnten zwei genetische Cluster identifiziert werden. Gruppe 1 lebt auf an der Ostflanke des Montagne d’Ambre auf Höhen von 887 bis 1170 m, Gruppe 2 auf 1260 bis 1455 m an der Ostflanke sowie auf 956 bis 1150 m am Westhang des Montagne d’Ambre. Bei Gruppe 1 fielen besonders viele mitochondriale Haplotypen auf, während Gruppe 2 lediglich einen einzigen Haplotyp aufwies. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Art wegen ihrer geringen Körpergröße und hohen Standorttreue eher zu isolierten Gruppen neigt als Baum bewohnende Chamäleons, die natürliche Barrieren leichter überwinden und sich damit in einem wesentlich größerem Umgebungsradius fortbewegen können.

Bei Calumma linotum waren die genetischen Unterschiede zwischen drei Gruppen auf unterschiedlichen Höhen eher gering ausgeprägt. Auch die Messdaten verschiedener Körpermaße zeigten bei dieser Art auf den unterschiedlichen Höhenlagen keinen eindeutigen Trend. Zwar schienen Calumma linotum auf niedrigeren Höhen etwas kleiner zu sein, das könnte aber auch an als Weibchen fehlidentifizierten subadulten Individuen gelegen haben. Bei Calumma amber und Calumma ambreense sank die Körpergröße, je höher im Montagne d’Ambre die Chamäleons gefunden wurden. Möglicherweise hängt dies mit den kühleren Temperaturen in höheren Lagen zusammen, die zu einem langsameren Wachstum beitragen. Es könnte aber auch sein, dass schlicht mehr jüngere Tiere vermessen wurden.

Die Studie bringt interessante Anpassungen verschiedener Chamäleonarten an die Höhenunterschiede des Montagne d’Ambre zu Tage. Möglicherweise handelt es sich dabei bereits um erste Hinweise auf ein frühes Stadium von Artbildung. Die Arbeit verdeutlicht außerdem, wie wichtig die unterschiedlichen Höhenstufen für die Artenvielfalt sind.

Repeated divergence of amphibians and reptiles across an elevational gradient in northern Madagascar
Mark D. Scherz, Robin Schmidt, Jason L. Brown, Julian Glos, Ella Z. Lattenkamp, Zafimahery Rakotomalala, Andolalao Rakotoarison, Ricky T. Rakotonindrina, Onja Randriamalala, Achille P. Raselimanana, Safidy M. Rasolonjatovo, Fanomezana M. Ratsoavina, Jary H. Razafindraibe, Frank Glaw, Miguel Vences
Ecology and Evolution 13 (3)
DOI: 10.1002/ece3.9914

Genetik: Karyotyp beim Jemenchamäleon

Genetik: Karyotyp beim Jemenchamäleon

Wissenschaft

Dass das Geschlecht beim Jemenchamäleon (Chamaeleo calyptratus) genetisch festgelegt wird, ist schon länger bekannt. Die Art verfügt über ein XX-/XY-System. Wissenschaftler aus Russland, Großbritannien, Italien und Thailand haben sich nun mit dem Karyotyp der Art beschäftigt, also den Eigenschaften der Chromosomen.

Der wahrscheinlich ursprünglichste Karyotyp aller Chamäleons ist 2n= 36. Dabei hatte dieses „Urchamäleon“ sechs Paare metazentrischer Makrochromosomen und zwölf Paare Mikrochromosomen, besonders kleine Chromosomen. Das Jemenchamäleon dagegen hat eine geringere Chromosomenzahl, nämlich nur 2n=24. Mittels verschiedener genetischer Untersuchungsmethoden fanden die Forscher in der vorliegenden Studie heraus, dass dieser Karyotyp wahrscheinlich durch Fusionen entstand. Dabei verschmolzen offenbar zwei Mal Mikrochromosomen miteinander, und gleich vier Mal fusionierten Mikro- und Makrochromosomen. Letzteres, die sogenannte heterogene Fusion zwischen unterschiedlich großen Chromosomen, ist ungewöhnlich für Wirbeltiere. Normalerweise liegen Makro- und Mikrochromosomen an verschiedenen Plätzen im Zellkern und werden unterschiedlich schnell transkribiert und repliziert. Das Phänomen ist aber schon von Alligatoren und Schildkröten bekannt – für Chamäleons ist es neu.

Unklar war bisher auch, welches Chromosomenpaar beim Jemenchamäleon eigentlich für das Geschlecht zuständig ist. Bei Chamaeleo chamaeleon codiert das zweitgrößte Chromosomenpaar für das Geschlecht. Erste Mutmaßungen legen jedoch nahe, dass beim Jemenchamäleon stattdessen das fünfte Chromosomenpaar (CCA5) das Geschlechtschromosomenpaar sein könnte. Die Vermutung muss durch weitere Forschung noch validiert werden. Es steht außerdem noch zur Diskussion, welches Gen eigentlich vorwiegend für die Entwicklung der Geschlechtsorgane im Embryo verantwortlich ist – die Forschere identifizierten mindestens drei in Frage kommende Gene auf CCA5.

Identification of Iguania ancestral syntenic blocks and putative sex chromosomes in the Veiled Chameleon (Chamaeleo calyptratus, Chamaeleonidae, Iguania)
Katerina V. Tishakova, Dmitry Yu. Prokopov, Guzel I. Davletshina, Alexander V. Rumyantsev, Patricia C. M. O’Brien, Malcolm A. Ferguson-Smith, Massimo Giovannotti, Artem P. Lisachov, Vladimir A. Trifonov
International Journal of Molecular Sciences 23, Dezember 2022
DOI: 10.3390/ijms232415838

 

Rhampholeon spectrum – nicht nur eine Art?

Rhampholeon spectrum – nicht nur eine Art?

Wissenschaft

Die Erdchamäleon-Gattung Rhampholeon kommt vor allem in Ostafrika vor. Rhampholeon viridis, Rhampholeon spinosus und Rhampholeon temporalis leben dabei jeweils in klar begrenzten und voneinander isolierten Gebieten Tansanias. Rhampholeon spectrum scheint jedoch bisher das völlige Gegenteil zu sein: Die Art verfügt über ein enormes Verbreitungsgebiet im Westen Afrikas. Es reicht von der Elfenbeinküste über Ghana, Togo, Benin nach Nigeria und bis an die Randgebiete von Niger und Chad, dann weiter über Kamerun, Äquatorialguinea und Gabun bis hinein in die zentralafrikanische Republik sowie in die demokratische Republik Kongo und die Republik Kongo (Kongo-Brazzaville). Forscher aus den USA und Kamerun haben nun genetisch untersucht, was hinter der weiten Verbreitung steckt.

Untersucht wurden Proben von einer Insel am nördlichsten Zipfel Äquatorialguineas, mehreren Bergen in Kamerun sowie Proben aus zwei Gebieten in Gabun. Zum Erstaunen der Forscher stellte sich heraus, dass Rhampoleon spectrum keineswegs überall genetisch gleich ist. Aus den Proben konnten zwei Kladen identifiziert werden: Eine im Tiefland und eine montane, bei denen die Chamäleons ausschließlich über 700 m üNN vorkommen. Insgesamt fünf genetisch verschiedene Populationen wurden identifiziert, von denen mehrere möglicherweise neue, noch unbeschriebene Chamäleonarten darstellen könnten.

Zur Tiefland-Klade gehört zum einen die Population in Gabun, beprobt wurden hier Chamäleons aus dem Ivindo Nationalpark und Tiere in einem Gebiet nahe der Stadt Mekambo. Die zweite Population der Tiefland-Klade kommt auf niedrigen Höhen des Mount Korup vor, einem Berg vulkanischen Ursprungs Der Mount Korup liegt im gleichnamigen geschützten Nationalpark in Kamerun an der Grenze zu Nigeria.

Zur Montan-Klade von Rhampholeon spectrum zählen drei Populationen. Eine Population kommt auf dem Mount Biao auf der Insel Bioko vor, die zu Äquatorialguinea gehört. Eine zweite Population findet sich auf dem Mount Cameroon, einem aktiven Vulkan im Westen Kameruns unweit des Golfes von Guinea. Vom Mount Cameroon stammt das Typusexemplar von Rhampholeon spectrum. Der bei der Erstbeschreibung genannte Fundort, Mapanja, liegt dabei nur wenige Kilometer von einem der Orte entfernt, an denen in der vorliegenden Studie Individuen entnommen wurden. Es handelt sich bei dieser Population also wahrscheinlich um die „echten“ Rhampholeon spectrum, die sogenannte topotypische Gruppe. Die dritte Population der Montanklade ist auf drei benachbarten Bergen in Kamerun beheimatet: Dem Mount Kupe, dem Mount Mangengouba und dem Mount Nlonako. Alle drei gehören mit dem Mount Cameroon und dem Mount Biao zur sogenannten Kamerunlinie, einer Gebirgskette vulkanischen Urpsrungs, die sich an der Grenze zwischen Kamerun und Nigera vom Meer bis zum Tschadsee erstreckt.    

Die Forscher beschäftigen sich außerdem mit der Frage, wie sich die verschiedenen Populationen entwickelt haben könnten. Die Trennung zwischen Rhampoleon spectrum und den Erdchamäleons in Tansania lässt sich ins späte Eozän vor rund 40 Millionen Jahren datieren. In dieser Zeit lösten sich die bis dahin zusammenhängenden Regenwälder in West-, Zentral- und Ostafrika in kleinere, teils isolierte Fragmente auf. Die Rhampoleon spectrum Klade teilte sich dann im Miozän vor rund 11,1 Millionen Jahre in die Tiefland- und Montanpopulationen. Im Miozän führten tektonische Bewegungen zur Erhebung einer niedrigen Gebirgskette, die von Südkamerun bis in den Süden der Republik Kongo reichte. Flüsse, Wüsten und andere geografische Barrieren veränderten sich. Etwas später, vor rund 9,3 Millionen Jahren, spaltete sich die Population auf der Insel Bioko ab. Die Erdchamäleons der Insel sind damit älter als die Insel selbst – die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass die Insel früher über eine Landbrücke mit dem Festland Afrikas verbunden gewesen sein muss. Die Chamäleons hätten also die Insel kolonialisiert, hätten eine Heimat auf dem Berg gefunden und wären erst dann vom Festland isoliert worden. Die genetisch identische Population auf dem Festland konnte allerdings nicht gefunden werden – die Forscher halten sie für ausgestorben. Im späten Miozän, vor rund 6,9 Millionen Jahren, entstanden die Populationen auf Mount Korup und in Gabun. Erst am Übergang vom Miozän ins Pleistozän, vor 5,2 Millionen Jahren, entstanden dann die Populationen auf dem Mount Cameroon und Mount Kupe.

Weiterführende Forschung zu diesem Thema wird zeigen, ob sich tatsächlich neue Arten unter dem Namen Rhampholeon spectrum verstecken – die Chancen dafür stehen gut. Interessant wären auch Untersuchungen zu Populationen der Art, die in dieser Studie keine Erwähnung finden. Denn natürlich könnten auch die Rhampholeon spectrum aus Süd- und Ostkamerun, kontinentalem Äquatorialguinea, Südgabun und dem Kongo weitere, eigenständige Populationen sein. Es bleibt also spannend!

Diversification and historical demography of Rhampholeon spectrum in West-Central Africa
Walter Paulin, Tapondjou Nkonmeneck, Kaitlin E. Allen, Paul M. Hime, Kristen N. Knipp, Marina M. Kameni, Arnaud M. Tchassem, LeGrand N. Gonwouo, Rafe M. Brown
PLOS One, Dezember 2022
DOI: 10.1371/journal.pone.0277107

Versteckte Arten innerhalb der Gattung Chamaeleo

Versteckte Arten innerhalb der Gattung Chamaeleo

Wissenschaft

Die Bestimmung von Arten ist heute dank genetischer Untersuchungen viel genauer möglich als noch vor einigen Jahrzehnten. Die Genetik wirft jedoch dadurch auch immer neue Fragen auf. Die Gattung Chamaeleo verfügt über aktuell 14 Arten. Wissenschaftler aus Südafrika haben jetzt untersucht, ob es in der Gattung womöglich weitere, ‚versteckte‘ Arten der Gattung Chamaeleo gibt. Parallel untersuchten sie, wo wohl der Ursprung der Gattung Chamaeleo liegt. Dazu wurde genetisches Material aller 14 bisher anerkannten Arten untersucht. Dabei kamen spannende Ergebnisse zutage: Von den vierzehn Chamaeleo-Arten wurden 13 bestätigt, eine jedoch in Frage gestellt. Zusätzlich konnten mehrere neue candidate species ausgemacht werden.

Die beiden unterschiedlichen Populationen von Chamaeleo anchietae im westlichen Angola sowie im südöstlichen Kongo und Tansania stellen vermutlich zwei unterschiedliche Arten dar. Sollten die Tiere aus der Demokratischen Republik Kongo und Tansania in Zukunft tatsächlich in den Artstatus erhoben werden, müssten sie der Taxonomie und einer Artbeschreibung von 1950 nach Chamaeleo vinckei genannt werden.

Chamaeleo gracilis scheint – was auf Grund seiner weiten Verbreitung nicht weiter verwunderlich wäre – mindestens drei eigenständige Arten zu verstecken. Die „echten“ Chamaeleo gracilis kämen demnach in Liberia vor, außerdem in Sierra Leone und Guinea. Die beiden anderen Gruppen stammen  zum einen aus dem Länderdreieck zwischen Chad, Kamerun und zentralafrikanischer Republik und von der Ländergrenze zwischen Kenia und Tansania. Leider wurden von Chamaeleo gracilis nur Einzeltiere beprobt, so dass an dieser Stelle noch keine weiter reichende Empfehlung zur Aufsplittung von Arten gegeben werden kann.

Das derzeit als eine einzige Art beschriebene Lappenchamäleon (Chamaeleo dilepis) könnte insgesamt drei Arten beinhalten. Eine der genetisch unterschiedlichen Populationen kommt im Osten Afrikas in Tansania und Ruanda vor, während eine zweite Art im südlichen und östlichen Afrika, von Südafrika über Botswana, Sambia, Namibia, Mosambik und Malawi bis nach Südtansania, lebt. Die dritte Art wäre im Westen Zentralafrikas zwischen Angola und dem Kongo verbreitet. Dabei passt keine der candidate species zu den acht bisher rein vom Aussehen beschriebenen Unterarten. Hier ist also eine vollständige Aufarbeitung der bisherigen Unterarten, deren Status sowie dem Artstatus der drei neu aufgetauchten clades notwendig.

Interessant sind zudem die Untersuchungsergebnisse zu Chamaeleo necasi aus Benin. Es stellte sich heraus, dass die Genetik das beprobte Tier als Chamaeleo gracilis identifizierte. Das Exemplar selbst wurde von den Forschern jedoch nicht untersucht. Es könnte sich dabei um ein durch sein Aussehen falsch eingeordnetes Chamaeleo gracilis handeln. Hier müssten die zur Artbeschreibung 2007 verwendeten Exemplare noch einmal gesichtet und beprobt werden, um mehr Informationen über den tatsächlichen Artstatus zu erhalten.

Im Zuge der genetischen Untersuchungen fanden die Forscher heraus, dass der Ursprung der Gattung Chamaeleo vermutlich in Südafrika liegt. Chamaeleo namaquensis, das einzige terrestrisch lebende Chamäleon der Gattung Chamaeleo, spaltete sich bereits vor 40 Millionen Jahren im Eozän von den anderen Chamaeleo-Arten ab. Damit ist das Namaqua-Chamäleon aus der Namibwüste und Damaraland das „älteste“ Chamäleon der Gattung Chamaeleo. Chamaeleo anchietae folgte etwa vor 29 Millionen Jahren.

Out of southern Africa: origins and cryptic speciation in Chamaeleo, the most widespread chameleon genus
Devon C. Main, Bettine Jansen van Vuuren, Colin R. Tilbury & Krystal A. Tolley Conceptualisation
Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 175, Oktober 2022
DOI: 10.1016/j.ympev.2022.107578